Projekt „Viele schaffen mehr“

Feldhamster im Bau | Nina Lipecki, CC BY-NC-SA 4.0

Gemeinsam für den Feldhamster: Ein Rückblick auf unser Projekt

Der Feldhamster, einer der letzten verbliebenen Wildtiere unserer Kulturlandschaft, ist stark bedroht. Um ihn in der Region Hannover zu schützen, haben wir mit diesem Projekt einen wichtigen Beitrag geleistet. Über mehrere Wochen haben wir ehrenamtlich Felder kartiert, Schutzmaßnahmen mit Landwirten umgesetzt und die Öffentlichkeit über die Bedeutung dieser Tierart informiert.

Ein Ergebnis des Projekts ist diese Fotodokumentation, die die Menschen und Geschichten hinter dem Feldhamsterschutz in den Fokus rückte.

Dieses Ergebnis – von eindrucksvollen Fotos bis hin zu interessanten Interviews –  möchten wir hier mit Ihnen teilen:

Feldhamster auf der Kartierfläche
Kartieraktion auf der Ausgleichsfläche bei Linderte (Region Hannover)

„Beim Kartieren arbeiten wir zusammen in einer Gruppe zu mehreren. Zusammen gehen wir nebeneinander in Reihen das Feld ab, das wir gemeinsam kartieren möchten. So können wir ganz gezielt vorhandene Baue aufspüren. Wenn wir einen hamsterverdächtigen Bau entdecken, wird er weiter untersucht (Durchmesser und Tiefe der Fall oder Schlupfröhren, Anzahl der Ausgänge, Fraßspuren oder frische Grabespuren, gibt es frischen Erdaushub…). Ist es tatsächlich ein Hamsterbau, werden die GPS-Daten zusammen mit den Charakteristika in einer zentralen Datenbank online gespeichert.“, Dr. Ina Leiter, Ehrenamtliche der AG Feldhamsterschutz Niedersachsen e.V.

Landwirt Christoph Burchard von der Christoph und Michaela Burchard GbR aus Linderte (Ronnenberg) im Interview mit der AG Feldhamsterschutz Niedersachsen 

Sommer 2024

 

Landwirt Christoph Burchard aus Linderte

Wieso und wie lange engagieren sie sich schon für den Feldhamsterschutz?

Seit 2014 betreiben wir eine Ausgleichsfläche für und finanziert von der NLStbV für den Verlust von Lebensraum im Zuge des Umbaus der B3 bei Hemmingen/Arnum.

Was macht den Feldhamster für Sie so schützenswert?

Die rapide zurückgehenden Bestände, bedingt durch hohen Beutegreiferdruck und Veränderungen in der offenen Land(wirt)schaft, weniger Randstrukturen, weniger Vielfalt der Kulturen.

Welche Maßnahmen wurden auf der Ausgleichsfläche umgesetzt?

Streifenanbau von überwiegend Getreide, dazwischen Luzernestreifen als Dauerkultur.

Welche Maßnahmen funktionieren am besten?

Durch die o.g. Getreidedauerkultur nimmt die Verungrasung der Fläche, speziell der Luzerne zu, ein Bio-Anbau ist nicht möglich – nur angepasste chemische Pflanzenschutzmaßnahmen führen zur Etablierung der Zielkultur und damit zur Nahrungsgrundlage für den Hamster.

Wie zufrieden sind Sie mit der Zusammenarbeit mit Naturschützern und Behörden im Rahmen des Feldhamsterschutzes?

Die untere Naturschutzbehörde bringt sich aus Personalmangel nicht ein, nimmt das Projekt aber wohlwollend war; die AG Feldhamsterschutz bringt sich sehr produktiv mit ein; das NLStbV weiß von dem Projekt, aber durch ständigen Wechsel in der Behörde findet kein Austausch mit verantwortlichen Mitarbeitern statt.

Was haben Sie Rahmen des Projektes gelernt?

Weniger behördliche Restriktionen haben eindeutig positive Einflüsse auf die Gestaltung des Lebensraumes.

Mit welchen Maßnahmen kann der Schutz des Feldhamsters verbessert werden?

Mehr freiwillige, finanziell gut ausgestattete, Maßnahmen, die sich einfach durchsetzen lassen, wie z.B. „Hohe Stoppel“, oder „Schutzstreifen mehrjährig“ im Acker sind für alle Feldbewohner, wie Hase, Rebhuhn, Lerche, Kiebitz und Feldhamster, zielführend.

Wird genug für die Feldhamsterpopulation in der Region Hannover getan und wie ist die Prognose für das Überleben des Feldhamsters in der Region Hannover?

Die Mittelausstattung und die angebotenen Einzelvorhaben der Maßnahmenträger in der Region ist/sind zu gering, der finanzielle Anreiz für den einzelnen Landwirt ist zu niedrig angesetzt – daher räume ich dem Überleben des Feldhamsters nicht viel Chancen ein. Durch die Festlegung der Förderung auf bestimmte Naturräume wird die Verinselung der Populationen zunehmen, damit einhergehend die genetische Verarmung des Feldhamsters. Behördlich generierte Feldhamsterschutzgebiete sind oftmals durch den Ausschluß von chemischen Pflanzenschutzmaßnahmen innerhalb weniger Jahre für den Feldhamster nicht mehr attraktiv und werden von ihm nicht mehr besiedelt. Ideologische Denkweisen sollten gegenüber einem notwendigen Pragmatismus zurückgestellt werden.

Vielen Dank für das Interview.

Dr. Ina Leiter bei der Eröffnung der Artenschutzstation in Koldingen

Dr. Ina Leiter, Ehrenamtliche Helferin im Feldhamsterschutz im Interview mit der AG Feldhamsterschutz Niedersachsen 

Sommer 2024

Was hat Sie dazu bewegt, sich ehrenamtlich für die Kartierung von Feldhamsterbauen zu engagieren?

Ich habe von der Ausbildung zu Feldhamsterscouts in der Zeitung gelesen und fand es super spannend, quasi direkt vor der Haustür mithelfen zu können eine vom Aussterben bedrohte Tierart unterstützen zu können. Nur wenn wir wissen, wo es noch Feldhamster gibt und wie viele es sind, lassen sich auch Schutzmaßnahmen ergreifen und verfolgen.

Warum ist Ihnen der Schutz des Feldhamsters persönlich wichtig?

Ich hatte als Kind Dsungarische Zwerghamster, weshalb ich generell Hamster toll finde. Aber man muss nicht nach Kasachstan reisen (wo diese Kerlchen zum Glück nicht gefährdet sind), um Hamsterbaue in der freien Wildbahn zu entdecken. Hier gibt es zum Glück noch ein paar dieser tollen Tiere, die zudem noch viel größer und mindestens genauso süß sind. Wir sollten als Bevölkerung auch die Verantwortung dafür übernehmen, dass die Feldhamster weiter hier leben können.

Gab es ein bestimmtes Erlebnis oder einen Moment, der Ihr Interesse an diesem Projekt geweckt hat?

Als frischgebackene Naturschutzbeauftragte habe ich noch nach einem eigenen Steckenpferd gesucht, einer Aufgabe, die mir persönlich wichtig ist. Und habe mit dem Aufruf zur Ausbildung der Feldhamsterscouts gleich gedacht: das ist es!

Was ist das Hauptziel der Kartierung von Feldhamsterbauen?

Die Kartierung dient verschiedenen Zwecken. Erst einmal kann man in einem Gebiet grundsätzlich die Dichte an Hamsterbauen und damit grob den Tierbestand abschätzen. Mit wiederholten Kartierungen lässt sich die Entwicklung der dortigen Population verfolgen, beispielsweise unter  besonderen Schutzmaßnahmen, oder im Rahmen einer Wiederansiedlung oder ohne jegliche Begleitmaßnahmen.

Warum ist es wichtig, den Bestand des Feldhamsters genau zu dokumentieren?

Wenn man nicht genau weiß, wo Hamster leben, kann man sich nicht dafür einsetzen, dass ihr Bestand weiter existiert. Schutzmaßnahmen an bekannten Populationen sollten zur Erfolgskontrolle begleitet werden. Und Zuchtprojekte mit nachfolgender Auswilderung können nur mit Begleitung möglichst sicher gut gedeihen. Die Rahmenbedingungen kann man nur dann verfeinern, wenn man weiß, wie sich der Bestand vor Ort entwickelt. Mit der Veröffentlichung von Daten lassen sich dazu generelle Erkenntnisse für den Feldhamsterschutz auch an anderen Orten gewinnen.

Welche Bedrohungen gefährden die Feldhamster in ihrer natürlichen Umgebung?

In der Vergangenheit war es die starke Bekämpfung der Tiere als „Schädlinge“. Mittlerweile sind es aber unter anderem zunehmende Flächenversiegelung, Zerschneidung von Lebensräumen durch Straßen, fehlende Deckung vor Raubtieren durch die moderne Landschaft.

Dr. Ina Leiter bei der Auswilderung von Feldhamstern

Was sind die größten Herausforderungen bei der Kartierung von Feldhamsterbauen?

Wichtig ist zum einen, zum richtigen Zeitpunkt (nicht zu früh im Jahr, also nach Eröffnung der Winterbaue, und auch nicht zu spät bezüglich Aufwuchs der Feldfrüchte vor der Ernte wegen möglichen Beschädigungen) und je mehr mit Erlaubnis, am besten im Kontakt mit dem Landwirt, auf das Feld zu gehen. Dann benötigt man für schnelles Vorankommen eine Handvoll Helfer, guten Witterungsschutz, ein funktionierendes GPS-Gerät, Schreibzeug, einen Zollstock und los geht es 🙂 Je nach Feldfrucht ist manchmal gar nicht so leicht, die Öffnungen der Baue zu finden…

Haben Sie bei Ihrer Arbeit etwas Überraschendes oder Besonderes entdeckt?

Eine seltene Schmetterlingsart, die Goldene Acht.

 Welche Erfahrungen nehmen Sie aus Ihrer Tätigkeit mit?

Zum einen das Knowhow zur Tierart. Aber auch die angenehme Atmosphäre unter Gleichgesinnten, die zusammen für den Feldhamster arbeiten. Und nicht zuletzt einfach auch schöne Momente draußen auf dem Feld, mit Blick nicht nur zum Erdboden, sondern auch in die Weite.

Welche Maßnahmen würden Ihrer Meinung nach zusätzlich helfen, den Feldhamster zu schützen?

Sinnvoll wäre, wenn es tatsächlich in Feldhamsterregionen generell öffentliche Gelder gäbe für Maßnahmen zur Arterhaltung. Am besten in Kombination mit einem überregional einheitlichen und gemeinsam abgestimmten Konzept, das dann einfach je nach Sachlage vor Ort angewendet werden kann.

Glauben Sie, dass das Bewusstsein für den Schutz des Feldhamsters wächst?

Das hoffe ich – aber solange sich quasi hauptsächlich Ehrenamtliche um seinen Erhalt kümmern, bleibt es eine ständige Aufgabe, die Bevölkerung darauf aufmerksam zu machen.

Was würden Sie anderen Menschen raten, die sich ehrenamtlich für den Naturschutz engagieren möchten?

Am besten sucht man sich ein Feld, das einen wirklich begeistert. Wenn man dann noch auf nette Mitstreiter trifft, macht das richtig Spaß. Und beides braucht man, um sich Herausforderungen zu stellen, die einem dann begegnen. Eine gewisse Frustrationstoleranz ist auch sehr hilfreich.

Was würden Sie sich von der Politik oder anderen Institutionen für den Schutz des Feldhamsters wünschen?

Aufgeschlossenheit, ehrliches Interesse an der Natur vor der eigenen Haustür und einen intrinsischen Willen, Arten für die Zukunft zu erhalten. Das sehe ich in der Politik leider nicht häufig. Da stehen meist andere Dinge im Vordergrund.

Wie sehen Sie die Zukunft des Feldhamsters in Ihrer Region?

Ich bin vorsichtig optimistisch, dass der Hamster hier zumindest in den nächsten Jahrzehnten nicht ausstirbt. Es ist einiges zu tun, aber wir wollen das schaffen. Und mit vielen helfenden Händen und nicht zuletzt Unterstützung aus der Politik kann das klappen.

Vielen Dank für das Interview.

Dieses Projekt wurde dank der Förderung über die Crowdfunding-Plattform „Viele schaffen mehr“ der Volksbank eG Hildesheim-Lehrte-Pattensen realisiert.

Umsetzung und Fotos: 

Aiko Sukdolak ist ein renommierter Umwelt-, Natur- und Wildtierfotograf, Workshop- und Reiseleiter, Vortragsredner, Podcaster und Naturschützer aus Hannover. Mit seiner Expertise, viel Geduld, großer Leidenschaft, einem geschulten Blick und viel Liebe für die Tierwelt verwandelt er die Natur in Kunst, die den Betrachter in Erstaunen versetzt.

Die Fotografie in der Natur bietet in unserer schnelllebigen Zeit eine Entschleunigung, die immer wieder zu neuen Streifzügen und Aufnahmen motiviert. Durch Achtsamkeit und den Fokus auf die Natur und ihre Bewohner erfährt er einen Zustand der Ruhe, der einer Meditation gleichkommt. Das gibt ihm die Ausdauer, einzigartige und besondere Augenblicke festzuhalten. Er schätzt es sehr die Schönheit des Moments zu erfahren und in Bilder verwandeln zu dürfen. Es fasziniert ihn mit technischer Raffinesse ganz besondere Fotos zu realisieren und aus außergewöhnlichen Perspektiven Geschichten aus der Natur zu erzählen und sie in Kunst zu verwandeln Die Bilder laden die Betrachter*innen ein, sich von der lokalen Flora und Fauna faszinieren zu lassen und für den Arten- und Umweltschutz Bewusstsein zu schaffen.

Seine Bilder sind in Zeitschriften sowie der regionalen Berichterstattung als auch in Ausstellungen zu sehen und wurden beim Fotowettbewerb der Niedersächsischen BINGO Umweltstiftung 2019 und 2022 sowie beim GDT Naturfotograf des Jahres 2022 und 2023 ausgezeichnet.

Homepage: www.aiko-photography.de

Instagram: www.instagram.com/aiko.sukdolak

YouTube: www.youtube.com/aikosukdolak