Ähren­ernte im Feld­hamster­schutz

Erfolgreiches Pilotprojekt aus 2019 – die Maßnahme Ährenernte findet immer mehr Zuspruch!

In 2019 wurde auf zwei Ackerflächen in der Gemeinde Algermissen ein Pilotprojekt zum Schutz des Feldhamsters durchgeführt. Ziel war es zu untersuchen, wie dem Feldhamster nach der Getreideernte bis zum Herbst optimal Deckung und Nahrung gegeben werden kann, ohne dabei die Landwirtschaft zu sehr einzuschränken. Ergebnis des Pilotprojektes war die Entwicklung der Maßnahme Ährenernte für den Feldhamsterschutz.

Der in dieser Weise landesweit erstmals durchgeführte Feldversuch wurde in Zusammenarbeit mit Dipl.-Landwirt Clemens Gerhardy und der in Hamburg ansässigen Deutschen Wildtier Stiftung, vertreten durch die niedersächsische Regionalkoordinatorin, Nina Lipecki aus Borsum, entwickelt und umgesetzt. Die 1992 gegründete, private Stiftung setzt sich für den Schutz und die Verbesserung der Lebensverhältnisse von Wildtieren in ganz Deutschland ein. Über die Zusammenarbeit berichtete die Hildesheimer Allgemeine Zeitung.

Bei dem Pilotprojekt wurden vier, jeweils 25 m breite Versuchsparzellen auf zwei verschiedenen Weizenfeldern angelegt, wobei das Getreide auf unterschiedlichen Höhen abgemäht wurde: zunächst mit kurzen Stoppeln von 15 cm und in einer zweiten Variante mit einer mittlerer Stoppellänge von 40 cm. Im dritten Versuchsabschnitt wurden nur die Ähren abgemäht, so dass noch Stoppeln mit einer Länge von 60 cm stehen blieben. Im vierten Bereich verblieb zum Vergleich die ganze Weizenpflanze samt Ähre auf dem Feld. Darüber hinaus wurde eine fünfte Parzelle angelegt, auf der eine für den Hamster geeigneten Zwischenfrucht ausgesät wurde.

In der Praxis erweist normalerweise sich die Kurzstoppelvariante für den Feldhamster eher als nachteilig, da er nur schlecht Deckung findet und somit schnell von Greifvögeln oder anderen natürlichen Feinden entdeckt und gefressen wird. Auch bei der mittelhohen Stoppelvariante ist dies oft noch der Fall. Anders sieht es beim nicht abgeernteten Weizenfeld aus. Hier kann sich der Hamster weiterhin – bis zu seiner Anfang Herbst einsetzenden Winterruhe – sichtgeschützt auf dem Ackerboden bewegen und zudem noch die Ähren als Nahrungsquelle nutzen. »In den vollen Pflanzenbestand wagt sich der Greifvögel nur selten hinein, da er dort nur bedingt Einblick hat und nicht richtig landen kann« erklärt Nina Lipecki und resümiert: »Hier ist der Feldhamster gut geschützt«.

Die ersten Auswertungen nach der zweimonatigen Stoppelruhe spiegeln die Aussagen von Lipecki genau wider. So konnten vor Ort fast ausschließlich im Bereich bei der hohen Stoppelvariante und im stehengelassenen Weizenbestand mehrere Hamsterbauten lokalisiert werden.

Doch bei der Bestandsvariante kam Clemens Gerhardy die Landwirtschaft zu kurz: »So viel Weizen kann der Hamster gar nicht fressen bzw. als Wintervorrat einlagern. Über 95 % der Ernte würden dann auf dem Feld verrotten und damit Lebensmittel unnütz verschwendet.« Von daher hat er großes Verständnis für Berufskollegen und Mitbürger, die dieser Variante skeptisch gegenüberstehen. Gerhardy war es wichtig, ideologiefrei eine gute, praxistaugliche Lösung zu entwickeln, die sowohl dem Hamster- und Naturschutz dient, die aber auch Akzeptanz in der Landwirtschaft und Bevölkerung findet.

Damit stieß er bei der Projektkoordinatorin Nina Lipecki und dem Gesamtprojektleiter der Deutschen Wildtier Stiftung, Moritz Franz-Gerstein auf positive Resonanz: So wurde die ursprünglich nicht vorgesehene, von Gerhardy und Lipecki gemeinsam ausgedachte hohe Stoppelvariante kurzerhand mit in den Feldversuch aufgenommen – und entwickelte sich wohlmöglich zu der Variante mit dem besten Kompromiss: Denn damit kann sowohl aktiver Hamsterschutz als auch noch landwirtschaftliche Produktion betrieben werden, wenn auch unter erschwerten Bedingungen. Doch diese werden von Seiten der Deutschen Wildtier Stiftung ausgeglichen, um so Anreize zur Teilnahme zu schaffen.

In 2020 wurde die Ährenernte, von der auch andere gefährdete Tierarten wie Feldhase Rebhuhn und Feldlerche profitieren, nicht nur zwischen Gerhardy und der Deutschen Wildtier Stiftung fortgesetzt. Sie entwickelte sich zum Erfolgsmodell. Das Maßnahmenblatt Ährenernte hat inzwischen über die Deutsche Wildtierstiftung hinaus Verbreitung und Anwendung gefunden. Auch die AG Feldhamsterschutz Niedersachsen lenkte ihre Vereinsmittel in Zusammenarbeit mit der Deutschen Wildtierstiftung in Ährenernte-Maßnahmen im Raum Pattensen.